Die ersten Missionare in Livland

Vieles von dem was aus der frühen Zeit des Schwertbrüderordens und der Geschichte Livlands bekannt ist, stammt aus nur zwei wichtigen zeitgenössischen Quellen. Die erste ist die Chronik des Heinrich von Livland. Heinrich war Augenzeuge vieler der Ereignisse über die er in seinem Buch aus dem Jahr 1229 schreibt. Die zweite wichtige Quelle ist die sogenannte Livländische Reimchronik, die zwischen 1290 und 1297 verfasst wurde.

Heinrich von Livland beginnt seine Chronik Livlands mit Erzählungen über Meinhard, Augustinermönch aus Segeberg in Holstein. Meinhard hatte Berichte von Seefahrern und Händlern gehört, die mit Liven und lettischen Stämmen Handel trieben und die Düna (Daugava) hinaufgefahren waren. Die Düna, der größte lettischen Fluß, der bei Riga in die Ostsee mündet, war eine wichtige Verkehrsader zur Erschließung des Hinterlandes und diente schon zur Zeit der Wikinger als Verbindungsweg über die Flußsysteme von Wolga und Dnjepr in das altrussische Gebiet bis hin nach Byzanz und Zentralasien. Man kann den Missionaren und später den Kreuzrittern also durchaus auch wirtschaftliche Gründe für ihre Unternehmungen in Livland unterstellen. Meinhard entschloss sich, die Heiden Livlands zum Christentum zu bekehren: Zusammen mit einigen Mönchen zog er also über die Ostsee, errichtete etwa 1184 die erste Kirche des Baltikums in Uexküll (Ikšķile) und taufte einige Liven. Die ganze Unternehmung war allerdings riskant und die Missionare waren feindlich gesinnten Stämmen ausgesetzt: Die größte Bedrohung ging von Litauen aus. Die Litauer widerstanden der Christianisierung und der Eroberung, erst im späten 14. Jahrhundert traten sie zum Christentum über. Zum Schutz vor den Angriffen der Litauer und auch der Semgallen aus dem Süden des heutigen Lettland ließ Meinhard in Uexküll eine Burg errichten – die erste Ordensburg in Lettland und das erste Gebäude aus Stein in Lettland überhaupt. Das Baumaterial für die Burg wurde von der schwedischen Insel Gotland auf dem Seeweg herübergeschafft. Eine weitere Burg wurde in Holm (Salaspils) erbaut und 1186 wurde Meinhard zum Bischof von Uexkull geweiht. Doch die Missionierungsarbeit war nicht von großem Erfolg gekrönt: Viele Liven und Angehörige der baltischen Stämme verweigerten die Taufe oder kehrten zu ihrem heidnischen Glauben zurück. Die Missionare mussten sich oft in ihre Burgen zurückziehen, um sich vor Angriffen zu schützen, und wurden so quasi zu Gefangenen in ihren eigenen Befestigungen.

Als Meinhard im Jahr 1186, kurz nach seiner Bischofsweihe, starb, wurde der Zisterzienserabt Berthold aus dem Kloster Loccum in Niedersachsen sein Nachfolger. Es ist überliefert, daß Berthold die neue Aufgabe nur unter Protest übernahm - Bischof im fernen Livland war eindeutig kein attraktiver Posten. Berthold gelangte zu der Auffassung, daß die Heidenmissionierung nur mit Gewalt zu erreichen war. Nach einem Mordversuch gegen ihn, segelte er nach Norddeutschland zurück, um ein Kreuzfahrerheer zusammenzustellen. Am 24. Juli 1198 fand schließlich die erste Schlacht zwischen den Kreuzrittern und den Liven statt. Die deutschen Ritter waren militärisch deutlich überlegen und gewannen die Schlacht. Hunderte von Liven wurden anschließend getauft und das Kreuzfahrerheer kehrte im Glauben, erfolgreich gewesen zu sein, nach Deutschland zurück. Doch nur wenig später kam es zu neuen Aufständen und viele Liven entsagten dem Christentum. Nur ein Jahr später, 1199, hatte sich die Situation für die Missionare dramatisch verschlechtert und die Missionierung Livlands schien abgebrochen werden zu müssen.