Bischof Albert und die Schwertbrüder

Nachfolger von Bischof Berthold wurde Albert von Buxhöveden aus Bremen, der eine bedeutende Rolle in der Geschichte Livlands spielen sollte. Er erkannte, das Uexkull zu weit flußaufwärts lag und ließ daher im Jahr 1201 eine neue Burg näher am Meer erbauen – Damit wurde Albert zum Gründer Rigas, der heutigen Hauptstadt Lettlands. Außerdem ließ er die Burg Dünamünde zusammen mit einen Hafen an der Mündung der Düna (Daugava) in die Ostsee errichten.

Bischof Albert war ausgestattet mit Privilegien des Heiligen Römischen Reiches und des Papstes: Ohne gesonderte Genehmigung des Papstes durfte Albert Kreuzfahrerheere zusammenstellen und nach Livland schicken. In der Folge entwickelte sich ein regelrechter „Kriegstourismus“ der Kreuzfahrer: Jeden Sommer machte sich eine bedeutende Anzahl von Rittern aus Niedersachsen und Westfalen von Lübeck aus auf den Weg über die Ostsee. Für zwei Jahre Dienst in Livland wurde ihnen als Gegenleistung die Vergebung ihrer Sünden versprochen. Von 1199 bis 1224 kehrte Albert jedes Jahr nach Norddeutschland zurück, um neue Teilnehmer zu werben – Mangel an Interesse gab es nicht: In Deutschland hatten bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen nach dem Tode Kaiser Friedrich Barbarossas 1197 viele Krieger mit vergebungswürdigen Sünden hervorgebracht.

Doch schon nach wenigen Jahren wurde deutlich, daß ein stehendes Heer in Livland nützlicher wäre als die eingeschifften Kurzzeitkrieger. Da Albert jedoch keine weltlichen Armeen für Livland gewinnen konnten und bestehende Orden, wie etwa die Templer, kein Interesse an diesem abgelegenen Landstrich zeigten, gründete er 1202 einen eigenen Orden: Die „Brüder der Ritterschaft Christi von Livland“ („Fratres miliciae Christi de Livonia“ ) oder kurz: Der Schwertbrüderorden, mit einem roten Kreuz und Schwert auf weißem Umhang als Zeichen. Aufgabe des Schwertbrüderordens war es, die Priester und Missionare in ihrer Arbeit zu unterstützen. Häufig waren sie in Kämpfe mit den Litauern verwickelt oder mussten Angriffe aus Russland abwehren. Die Kämpfe waren auf allen Seiten von Brutalität und Rücksichtslosigkeit geprägt – da war auch (oder gerade) der christliche Hintergrund des Kreuzritter kein Hindernis. Da die litauischen und russischen Angriffe auch lettische und livische Stämme bedrohten, kam es durchaus vor, daß diese Vorteile darin sahen, sich dem Schutz des Schwertbrüderordens zu unterstellten. Doch meist leisteten die lettischen und livischen Stämme erbitterten Widerstand, überliefert ist beispielsweise der Kampf des Stammesfürsten Vetseke gegen die Errichtung der Burg von Kokenhusen (Koknese). Letztlich siegte jedoch der Orden und die Burg Kokenhusen wurde Teil einer ganzen Kette von Burgen und Befestigungen im Tal der Düna (Daugava). Diese wurden zu einem entscheidenden Faktor für die Verteidigung Livlands und bildeten ein effektives Kommunikationsnetz. Auch für die Kaufleute der Hanse wurde der Schutz durch die Burgen entlang der Düna zu einer wichtigen Voraussetzung für deren Handelsfahrten nach Osten.

Die Beziehung zwischen Bischof Albert und dem Schwertbrüderorden war nicht konfliktfrei. Vor allem ging es dabei um die Frage, wem der neu eroberte Landbesitz gehörte. Albert bestand bereits seit 1204 darauf, daß der Orden nur ein Drittel des eroberten Landes erhält, der Rest musste dem Bischof übergeben werden. Der Schwertbrüderorden hatte daher ein Interesse, den Landbesitz möglichst umfangreich zu erweitern, indem sich seine Aktivität nicht nur auf das Tal der Düna beschränkten sondern darüber hinaus auch einem Flußlauf nach Norden folgten, entlang der Livländischen Aa (Gauja). Ohne Genehmigung des Bischofs entschloss sich der Ordensmeister Wenno, die Gegend zu erobern. Zuerst wurde Treiden (Turaida) eingenommen und dann, im Jahr 1208, die Burg von Segewold (Sigulda) am gegenüber liegenden Hang des Tales der Aa gebaut. Im gleichen Jahr wurde flußaufwärts auch die Burg von Wenden (Cēsis) errichtet, die zum Hauptsitz des Ordens wurde. Die Verantwortung für die Burg erhielt ein gewisser Wickbert, der jedoch auf der Seite des Bischofs stand, so daß er von Ordensmeister Wenno nach kurzer Zeit wieder abgesetzt wurde. Wickbert jedoch erschlug den Ordensmeister kurzerhand mit einer Axt – und wurde daraufhin zum Tode verurteilt. Diese Ereignisse des Jahres 1209 gelten als einer der größten Skandale der damaligen Zeit.